Therianthropie (von altgr. θηρίον therion „wildes Tier“ und ἄνθρωπος anthrōpos „Mensch“, auch Zooanthropie) bezeichnet die Verwandlung (so genannte Theriomorphose) eines Menschen in ein Tier oder in ein Wesen, das sowohl menschliche als auch tierische Eigenschaften besitzt. Sie ist ein altbekanntes Motiv in Kunst und Kultur und in verschiedenen Erscheinungsformen weltweit verbreitet. Weitergefasste Definitionen therianthropischer Motive sind unter anderem in der Kunstgeschichte anzutreffen. Die Therian-Subkultur verwendet die Bezeichnung Therianthropie für die Identifikation eines Menschen als Tier.

Unterscheidung nach Tier

Die Wahl des Tieres hängt davon ab, welchen Tieren in der jeweiligen Kultur Bedeutung zugesprochen wird. Die bekannteste Form der Therianthropie ist die Verwandlung in einen Werwolf, auch als Lykanthropie bekannt. Dieser Begriff wird in englischsprachigen Veröffentlichungen häufig auch auf andere Tiere ausgedehnt und damit gleichbedeutend zu Therianthropie verwendet. Weniger bekannt ist die Kynanthropie (Verwandlung in einen Hund), die Ailuranthropie oder Galeanthropie, also Verwandlung in eine (Wer-)Katze, die Boanthropie (Verwandlung in ein Rind), die Tigroanthropie oder Tigranthropie (Verwandlung in einen Tiger) und die Alopekanthropie (Verwandlung in einen Fuchs).

Archäologie und Kunstgeschichte

Mensch-Tier-Mischwesen in prähistorischen Darstellungen, zum Beispiel in Höhlenmalereien aus der Drei-Brüder-Höhle, werden in der Archäologie und Kunstgeschichte bisweilen als Therianthropen bezeichnet. Dass es sich um Verwandlungsdarstellungen handelt, ist jedoch nur eine mögliche Interpretation dieser Werke. Das Adjektiv therianthropisch wird insbesondere in ikonographischen Zusammenhängen auch generell für Abbildungen mit einer Mischung aus menschlichen (anthropomorphen) und tierischen (zoomorphen) Elementen verwendet. Die Kombination aus menschlichem Körper und Tierkopf lässt sich präziser als Tierköpfigkeit oder Theriokephalie benennen.

Geschichte

Im Rahmen der Hexenverfolgungen der frühen Neuzeit wurden mehrfach Personen der Lykanthropie oder Verwandlung in ein wildes Tier angeklagt, unter anderem in Schottland.

Der Begriff Therianthropie selbst ist im Deutschen mindestens seit dem späten 19. Jahrhundert bekannt.

Von der Therian-Subkultur wurde die englische Bezeichnung therianthropy in den 1990er Jahren übernommen und zunächst in Online-Foren genutzt, um Personen zu beschreiben, die sich als Werwolf fühlen. Größere Verbreitung fand der Begriff jedoch erst in den 2010er Jahren, nachdem er von unterschiedlichsten Personen adaptiert wurde, die sich selbst als nichtmenschlich – meist als reales Tier, teils aber auch als fiktionales Wesen wie etwa ein Vampir – identifizierten und einzelne Forschungsartikel dazu erschienen waren. Mit Beginn des Jahres 2021 entwickelte sich, vor allem durch Social-Media-Plattformen wie TikTok, ein Trend, der zur bislang weitreichendsten Verbreitung des Begriffs (vor allem in der Kurzform therian) führte.

Literatur und Film

In der Literatur ist die Verwandlung eines Menschen in ein Tier ein beliebtes Motiv. Zahlreiche Beispiele sind in den Metamorphoses des Ovid aus der Antike zu finden, die Verwandlungen aus der griechischen und römischen Mythologie schildern. Beschreibungen der Verwandlung von Menschen in Hunde sind sowohl in der altgriechischen als auch in der klassischen chinesischen Literatur zu finden. Letztere kennt überdies Verwandlungen in weitere Tiere wie Bären, Tiger, Füchse, Affen, Ratten, Vögel und Fische. Auch in einigen von Grimms Märchen spielen Verwandlungen in Tiere eine Rolle. Sehr bekannt ist zudem Die Verwandlung, eine Erzählung von Franz Kafka. Viele Gestaltwandler aus Fantasy- und Science-Fiction-Werken können eine Tierform annehmen.

Um die Verwandlung eines Menschen in einen Hund dreht sich beispielsweise die Filmkömodie The Shaggy Dog (1959), deren Vorlage der Roman Der Hund von Florenz (1923) war und zu der mehrere Fortsetzungen und Neuverfilmungen entstanden.

Religion

Das Auftreten von üblicherweise in menschlicher Gestalt dargestellten Gottheiten als Tier, wie es aus dem altjapanischen Shintō bekannt ist, gilt als therianthropisches Element. Die Darstellung von Gottheiten in Tiergestalt heißt Theriomorphie, Theriomorphismus, Zoomorphie oder Zoomorphismus.

Die Identifikation mit einem Tier spielt in verschiedenen schamanistischen Ritualen und für bestimmte totemistische Ideen eine Rolle. Bisweilen werden auch durch Drogeneinfluss entsprechende Wahnvorstellungen ausgelöst, sodass keine klare Abgrenzung zur klinischen Therianthropie besteht. Manchmal wird die kurzzeitige Übernahme tierischer Verhaltensweisen auch durch die Verbundenheit mit einem Tiergeist erklärt. So zeigt ein Schamane, der sich in ein Tier verwandeln kann, die Übernahme der Fähigkeiten von Geistwesen. Andererseits gibt es auch Seelenreise-Konzepte, denen zufolge ein schlafender Mensch den Körper eines Tieres kontrollieren kann.

Subkulturen

Als Therianthropen, therian oder were bezeichnen sich Personen, die sich als Tier identifizieren. Sie bilden je nach Definition einen Teil der Otherkin- oder Alterhuman-Subkultur. Dies geschieht meist im Rahmen eines esoterischen Weltbildes und kann auch als spiritual shapeshifting (spirituelles Gestaltwandeln) oder spiritual therianthropy (spirituelle Therianthropie) bezeichnet werden. Es gibt aber auch Gruppen, die sich dem Szientismus zuwenden, sowie Überschneidungen mit der Furry-Subkultur.

Eine andere Subkultur stellt die Petplay-Szene dar, in der Menschen zeitweise die Rolle eines Tieres einnehmen.

Psychopathologie

Die wahnhafte Vorstellung, ein Tier zu sein oder in ein solches verwandelt zu werden, wird als Klinische Zooanthropie bezeichnet. Es handelt sich um ein seltenes Symptom, das bei verschiedenen psychischen Störungen auftreten kann. Gängige diagnostische Kriterien sind die rückblickend oder in einem klaren Moment geäußerte Überzeugung, ein Tier zu sein, und die Nachahmung von tierischem Verhalten.

Literatur

Historische Abhandlungen

  • Wilhelm Heinrich Roscher: Das von der „Kynanthropie“ handelnde Fragment des Marcellus von Side. Leipzig 1896 (digitalisiert auf archive.org). 

Studien zur Therian-Subkultur

  • Natalie Bricker: Life Stories of Therianthropes: An Analysis of Nonhuman Identity in a Narrative Identity Model. Lake Forest College Publications, Lake Forest, 2016 (englisch, online auf Academia.edu).
  • Carole M. Cusack: Spirituality and self-realisation as ‘other-than-human’: the Otherkin and Therianthropy communities, in: Carole M. Cusack und Pavol Kosnáč (Hrsg.): Fiction, Invention and Hyper-reality. From popular culture to religion, Routledge: London / New York 2017, S. 40–57 (englisch, online auf Researchgate).

Einzelnachweise


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